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Zu JRE-Inside+COOK TEAM MEETS CHEFKOCH MARTIN THOMMEN
Der Bären ist ein traditionsreiches Haus. Sie führen den Familienbetrieb zusammen mit Ihrer Frau Manuela in 14. Generation. Wird in Ihrer Familie das Gastronomie-Gen automatisch weitervererbt?
Ja – in gewisser Weise schon. Ich hätte mir nie einen anderen Beruf vorstellen können. Auch meine beiden Geschwister sind in der Gastronomie tätig. Unsere Eltern haben uns jedoch nie dazu gedrängt, in dieser Branche zu arbeiten. Bevor ich die Lehre zum Koch angefangen habe, meinte meine Mutter, ich solle doch noch einen anderen Beruf «schnuppern». Aber das wollte ich nicht, denn für mich stand von Anfang an fest, dass Koch die richtige Wahl ist. Und das ist bis heute so geblieben. Ich kann meine Berufung ausüben und habe tagtäglich Freude daran. Seit ich den Betrieb meiner Eltern übernommen habe, kommen weitere Arbeiten und Facetten hinzu. Ich habe zum Beispiel mehr Kontakt zu den Gästen oder begleite ein Bankett vom Anfang bis zum Ende. Das macht die Arbeit noch spannender.
Welche Eigenschaften zeichnen einen erfolgreichen Koch aus?
In jungen Jahren stand für mich das Kochen im Vordergrund. Hochdotierte Köche, die in grossen Häusern arbeiteten, waren meine grossen Vorbilder. Sie repräsentierten für mich eine erfolgreiche Karriere. Heute bedeutet für mich erfolgreich sein etwas Anderes. Etwas selber aufzubauen, aus eigenen Kräften, ohne fremde Hilfe und Unterstützung bedeutet mir mehr und hat für mich den höheren Stellenwert, als das Streben nach Sternen und Punkten. Aber klar, es muss Vorbilder geben in unserem Beruf, damit man sich an ihnen orientieren und selber steigern kann.
2018 haben Sie den Betrieb von Ihren Eltern übernommen Was hat sich seither verändert?
Es hat sich vorallem meine Sichtweise auf die Dinge verändert. Ein Betrieb muss rentabel sein, man muss schauen, dass Ende Monat alle Löhne und Rechnungen bezahlt werden können. Das war mir früher auch klar, wo meine Eltern den Betrieb führten. Aber heute trage ich die Verantwortung und bin mir dessen voll und ganz bewusst.
…und welche Veränderungen haben Sie vorgenommen?
Ich bin hier aufgewachsen, mit den Traditionen verbunden. Ich kenne die Familien, die hier leben und die Wünsche unserer Gäste, so dass ich Veränderungen, Ideen und Innovationen entsprechend dosiert umsetzen kann. Wir respektieren das Alte, die Tradition, mit welcher wir uns verbunden fühlen, ohne dabei stehen zu bleiben. Der Spagat zwischen Tradition und Innovation ist uns gelungen, indem wir zum Beispiel den guten alten Apfelkuchen oder die Forelle blau - Gerichte, die schon mein Grossvater zubereitet hat - wie auch Sashimi vom Thunfisch anbieten. Aber wir müssen nicht jeden Trend mitmachen. Wenn man eine treue Kundschaft hat, weiss man schnell was funktioniert, welche Veränderungen bis zu welchem Grad möglich sind. In der Stadt ist das schwieriger, da muss man alle paar Jahre mit einem neuen Konzept und Erscheinungsbild auffahren. Auf dem Land trägt man eher Sorge zu dem, was man und pflegt es entsprechend. Sicherlich strebt jede Generation Veränderungen und Weiterentwicklungen an. Das war bei meinen Eltern und Grosseltern nicht anders und gilt auch für die, die nach mir kommen.
Der Bären ist zugleich Dorfbeiz und Gourmet-Restaurant mit 14 GaultMillau Punkten. Wie lassen sich beiden Welten unter einem Hut vereinen?
Das Wichtigste ist, jeden Gast gleich zu behandeln. Ob Schnitzel-Pommes oder Gourmetmenu. Ich freue mich über Gäste aus dem Dorf gleichermassen, wie über Gäste, die von weiter her oder sogar aus dem Ausland anreisen. Zentral und unabhängig ist dabei die frische Küche, die wir für jedes Gericht anwenden. Wir haben Stammgäste, die den Bären seit fast 40 Jahren besuchen oder die drei- bis viermal pro Woche bei uns zu Mittagessen.
So gilt der Zubereitung eines frischen Tagesmenus genauso viel Aufmerksamkeit und dieselbe Qualität, wie dem Gourmetmenu.
Wie wichtig sind Ihnen GaultMillau Punkte?
Zweifelsohne ist es eine gewisse Befriedigung für das eigene Ego. Jeder freut sich über Komplimente und Auszeichnungen. Aber man sollte das Ganze auch nicht allzu ernst nehmen, sondern den Fokus immer wieder auf das Tagesgeschäft legen. Bestimmt wäre ich betrübt, wenn wir einen Punkt verlieren würden oder nicht mehr im Guide Michelin aufgeführt wären. ((Aber lebenswichtig sind Punkte und Sterne sicher nicht.))
Sie sind Präsident der JRE Jeunes Restaurateurs. Welche Ziele werden verfolgt?
Die JRE ist eine Vereinigung junger Gastronomen. Sie verfolgt das Ziel, das kulinarische Erbe zu sichern, Ideen auszutauschen und zu entwickeln und man teilt sich die gleichen Freuden und Sorgen. Diese Gruppierung gibt es in mehreren Ländern Europas. Als Mitglied kann man auf ein enormes Netzwerk zugreifen. Bei der Vermittlung von Köchinnen und Köchen kann das u.a. sehr hilfreich sein. Ich bin seit zehn Jahren dabei, die JRE ist mittlerweile meine zweite Familie geworden. Vor drei Jahren habe ich das Amt des Präsidenten übernommen, was mit viel Stolz erfüllt.
Welche Visionen möchten Sie in Ihrer Küche noch umsetzen?
Eigentlich möchte ich so weiterfahren wie bis anhin und in meiner Küche leichte Anpassungen vornehmen und sanft auf Trends eingehen. Känguru wird es auf meiner Karte jedoch nie geben. Vielmehr will ich noch stärker auf Saisonalität und Regionalität setzen. Ab einer gewissen Betriebsgrösse und bei der Durchführung von Banketten ist das nicht immer einfach umzusetzen. Für mich stehen Geschmack und Qualität im Vordergrund. Natürlich will ich Produkte aus der Region. Jedoch möchte ich aufgrund von Kontinuität, Qualität und Verfügbarkeit nicht auf Lammfleisch aus Neuseeland verzichten. Ich achte auf Ressourcen, bin aber auch Unternehmer. Dieser Spagat muss auch hier gelingen.
Ihr schönstes Berufserlebnis?
Da gibt es viele. Ein Schlüsselerlebnis ist jedoch nicht dabei, weil ich viele Situationen gleichermassen als schön empfinde. Zum Beispiel die Begleitung unserer Kochlernenden über ihre gesamte Lehrzeit, wenn sie dann auch noch eine erfolgreiche Abschlussprüfung absolvieren, habe ich etwas zum Erfolg beitragen können. Bleiben die jungen Köche ihrem Beruf über die Lehrzeit hinaus treu, so gibt mir das zusätzlich eine grosse Befriedigung. Oder wenn ein Gast sagt, dass es noch nie so gut gegessen hat, wie bei mir; dass ich Gäste bedienen und kennenlernen durfte, die einen gewissen Bekanntheitsgrad haben, wie Mitglieder vom Bundesrat, die Prinzessin von Jordanien oder Prince Charles; wenn ich ein Produkt erhalte und etwas Tolles daraus machen kann.
Bei wem möchten Sie unbedingt einmal essen?
Da gibt es noch viele Adressen. Leider hat man als Koch nicht viel Zeit. Spontan fällt mir Jan Hartwig vom «Atelier» im Hotel Bayerischer Hof in München ein oder Sergio Herman vom The Jane in Antwerpen. Spannend wäre auch ein Besuch eines Guide Michelin 3. Sterne-Restaurants in Hongkong, Macau, Peking oder Shanghai. Hier würde mich die Asiatische Küche mit den hiesig weniger bekannten Kochstilen und Produkten sehr interessieren. Und als Präsident der JRE möchte ich gerne mal jedes JRE-Mitglied besuchen, nur fehlt mir dazu wahrscheinlich ganz einfach die Zeit.
Sie haben für Oskar Marti, Horst Petermann, André Jäger und andere Gastro-Grössen gearbeitet. Was hat sie dabei beeinflusst und inspiriert?
Oskar Marti, Chrüteroski, Münchenbuchsee:
«Chrüteroski» war das Beste, was mir für meine Lehrzeit passieren konnte. In seiner Küche wurde alles ausschliesslich frisch zubereitet. Heute reden alle davon, damals, vor 25 Jahren, waren Regionales, Saisonales und frische Kräuter, die direkt im Wald gepflückt wurden, in Oskar Martis Küche bereits fest in Stein gemeisselt. Was heute die Welt auf Social Media postet, durfte ich bereits in meiner Lehrzeit umsetzen. Oskar Marti war seiner Zeit voraus.
Bei ihm habe ich das exakte und genaue Arbeiten gelernt.
André Jaeger, Fischerzunft, Schaffhausen:
Bei André Jaeger habe ich die Asiaküche entdeckt und mit Produkten gekocht, die ich vorher nicht kannte, und die man damals auch nicht überall, oder höchstens im Asia-Shop, kaufen konnte. Nach meinem Aufenthalt bei Andé Jaeger war ich mehrmals in Asien unterwegs. Die Gewürze, Düfte, Kräuter und unglaublich exotischen Zutaten gefallen mir sehr und haben mich stark geprägt.
Horst Petermann, Petermann’s Kunststuben, Küsnacht:
Seine Liebe zum Beruf war einmalig. Er hat weder mit Kochthermometer oder einer Uhr gearbeitet. Er hat mit viel Gefühl und grosser Leidenschaft gekocht. Ein unglaublich herzlicher Mensch – ein Künstler!
Alle drei haben mich auf ihre persönliche Art und Weise sehr geprägt.
Aber auch Mario Gamba vom Acquarello in München. Bei ihm habe ich die wahre italienische Küche kennengelernt. Dank ihm weiss ich alles, was man über Ravioli wissen muss. Meistens habe ich ein solches Rezept auf meiner Karte. Pasta ist einfach geil!
Auf welches Produkt können Sie in der Küche niemals verzichten?
Auf Butter – sie ist für mich unverzichtbar.
Welches ist Ihr Lieblingsort im Bären, abgesehen von der Küche?
Die Gaststube ist das Herz des Hauses. Ich glaube, dass das 200 Jahre alte Täfer an der Decke viele Geschichten zu erzählen weiss. Ich habe hier von klein auf sehr viel erlebt, es ist auch meine Stube.