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Zu JRE-Inside+Tour de Romandie – Marie Robert
Marie Robert, der 32-jährigen Chefin im Café Suisse. Hinweis: Den ausführlichen Bericht über den Kulinarik-Abstecher von marmite in die Romandie finden Sie in der Ausgabe 5 2020 (am Kiosk oder im Abo erhältlich).
Marie Robert, wann haben Sie das Café Suisse in Bex übernommen?
2010 hat hier alles begonnen.
Wieviele Plätze hat es in Ihrem Restaurant?
Heute verfügen wir über 40 Plätze.
Haben Sie auch Hotelzimmer?
Nein. Das wäre aber schön.
Wieviele Mitarbeiter arbeiten in Ihrem Betrieb?
Wir sind zu zwölft. Davon acht in der Küche.
Wie sieht es denn beim Café Suisse aus mit Punkten und Sternen?
Wir haben einen Stern von Michelin. Und 16 Punkte bei GaultMillau.
Wurden Sie auch sonst ausgezeichnet?
Ja, ich war GaultMillau-Köchin des Jahres 2019. Und erhielt 2020 den Michelin Young Chef Award.
Wie alt sind Sie?
Ich bin jetzt 32 Jahre alt. Mit 22 Jahren habe ich das Café Suisse eröffnet. Also vor genau zehn Jahren.
Wo waren Sie denn vorher?
Wie gesagt, habe ich schon ganz früh mein eigenes Restaurant aufgemacht und deshalb auch möglichst rasch nach der Ausbildung mein Wirtepatent gemacht. So habe ich nicht an vielen Stationen gearbeitet. Meine Lehre hatte ich zunächst im Bleu Lézard in Lausanne gemacht und war danach ins Beau-Rivage Lausanne gewechselt. Anschliessend ging ich für eine Sommersaison zu Thierry Marx. Das war hart.
Wo fühlen Sie sich am meisten zuhause?
Ich bin zwar in Châtel-Saint-Denis geboren, aber eine waschechte Lausannerin. Mein Mutter zog kurz nach meiner Geburt dorthin, und ich blieb bis zu meinem Umzug nach Bex auch dort.
Was sind Ihre wichtigsten Ziele in nächster Zeit?
Preise und Auszeichnungen sind super. Aber das Wichtigste ist, dass die Gäste zufrieden sind und dass das Restaurant voll ist. Und man muss das machen, was man liebt. Dann kommt der Erfolg von alleine.
Haben Sie Hobbies?
Meine Arbeit ist auch mein Hobby. Und ich liebe es zu reisen. Allerdings geht das nur im Urlaub.
Wie sind Sie denn familiär aufgestellt?
Ich bin ledig. Und habe keine Kinder. Früher war ich liiert mit Arnaud Gorse, meinem Gastgeber hier im Café Select. Heute sind wir nur noch Geschäftspartner.
Wie würden Sie Ihre Küche in drei Sätzen beschreiben?
Kreativ. Spielerisch. Originell. Und eine vierte Eigenschaft hat meine Küche auch noch. Sie ist farbig.
Was ist Ihre persönliche Philosophie in der Küche?
Ich mache eine thematische Saisonküche.
Seit zwei Jahren entwickle ich ausserdem ein Leitthema, das durch das ganze Jahr führt. Und innerhalb des Jahres wechsle ich dann mehrmals das Unterthema. Im Vorjahr war das Leitthema Farben. Dieses Jahr sind es die (fünf) Elemente. Die setze ich auch mit einem Dekorateur im Restaurant um. Was ich nächstes Jahr machen werde, verrate ich noch nicht.
Bei uns herrscht ja noch immer das Vorurteil, dass Köchinnen dick und hässlich sein müssen. Ich bin nicht gross. Ich bin nicht bekannt. Also musste ich etwas anderes machen, um auf mich aufmerksam zu machen. So haben wir die Idee entwickelt, immer einen Teller von mir zu inszenieren und mich – ebenfalls in Szene gesetzt – thematisch passend daneben zu stellen. In einem gewissen Sinn bin ich also Teil der kunstvollen Dekoration geworden.
Das oberste Ziel bei mir ist die Originalität. Ich will anders sein als die anderen. Je polarisierender, desto besser. Die Gäste lieben meine Art und wie mein Lokal daherkommt. Sie sind gespannt, was als nächstes kommt und kehren daher immer wieder zurück.
Wer ist der wichtigste Mensch für Sie in Ihrem Betrieb?
Arnaud. Klar. Er ist meine rechte Hand. Er kümmert sich um die Sommellerie. Er versteht mich. Wir arbeiten im Duo. Ohne ihn kann ich nichts machen. Er ist vorne bei den Gästen. Ich bin hinten. Wir müssen harmonieren. Er kennt mich besser als ich mich selbst.
Was bereitet Ihnen bei Ihrer täglichen Arbeit am meisten Spass?
Kreativ sein. Rezepte und Teller kreieren. Installationen und Dekorationen inszenieren.
Und was stresst Sie am meisten?
(lacht) Journalisten. Und alle anderen Menschen, die einem die Zeit stehlen.
Welches sind Ihre Koch-Vorbilder?
Pierrick Suter vom Hôtel de la Gare in Lucens. Er ist ein Freund, den ich sehr mag. Und obwohl ich kein Deutsch spreche und er glaub auch kein Französisch, bin ich beeindruckt von Patrick Mahler. Ich glaube, dass wir uns gut verstehen würden, auch wenn wir noch nicht wirklich miteinander gesprochen haben.
Und haben Sie Vorbilder in anderen Lebensbereichen?
Ich habe keine Idole. Aber ich liebe Mode. Blancpain mag ich auch (schmunzelt auf die Nachfrage, ob das ein Sponsor von ihr sei…).
Was kochen Sie am liebsten?
Alles. Ich mache nichts, was mir nicht gefällt.
Und für wen kochen Sie am liebsten?
Für die Gäste. Ich liebe es, Freude zu bereiten. Lächeln zu verbreiten.
Welches Food Pair matcht für Sie am allerbesten?
Foie gras und Rhabarber.
Was ist Ihr persönliches Lieblingsgericht?
Ein Lieblingsgericht habe ich nicht. Aber ich liebe Raclette vom Holzfeuer.
Und was Ihre Henkersmahlzeit?
(lacht) Ich habe noch lange nicht die Absicht zu sterben.
Welchen Geschmack/welches Gewürz mögen Sie überhaupt nicht?
Innereien mag ich nicht.
Was ist Ihr Signature Dish (oder für welches Gericht kommen Ihre Gäste extra zu Ihnen)?
Ich möchte meine Gäste überraschen. Deshalb wechsle ich ständig mein Angebot. Aber Foie gras habe ich immer. Einmal so, einmal anders.
Ist Ihre Küche abhängig vom Ort, an dem Sie kochen?
Der Ort ist erst mit den Jahren wichtig geworden. Ich habe hier in Bex mein Restaurant eröffnet, weil ich kein Geld hatte. Lausanne wäre viel zu teuer gewesen. Also bin ich hierher gekommen. Am Anfang dachte ich, dass das nicht funktionieren würde. Ich bin Autodidaktin. Und habe zu Beginn auch ganz schreckliche Teller gemacht (zeigt auf dem Handy einige ihrer früheren Teller). Da habe ich mich schon weiterentwickelt in den letzten Jahren.
Überhaupt sind wir Schritt für Schritt gegangen. Und hatten Erfolg. Das ist ein ständiger Prozess. Für den Moment bleibe ich sicher. Aber das kann auch einmal ändern. Ich mag es nicht, mich aufzuregen. Wenn ich keine Freude mehr habe, werde ich aufhören.
Und möchten Sie irgendwann noch an einem anderen, ganz bestimmten (Sehnsuchts-)Ort leben und arbeiten?
Ich träume nicht. Wenn ich eine Idee habe, setze ich sie um. Aber ich nehme aus jedem Land, in dem ich bin, Geschirr mit nach Hause. Das hat wohl auch mit Sehnsucht zu tun. Und wenn ich etwas wünschen dürfte, wäre das eine schöne Gartenterrasse. Ja, eine solche möchte ich einmal haben.
Welche nationale Küche mögen Sie denn am liebsten?
Die italienische und die französische Küche. Die Italiener sind so generös.
Was war Ihre schlimmste Erfahrung in einer Küche?
Das war bei Thierry Marx. Ich war noch viel zu unreif und überhaupt nicht bereit. Es war für mich alles sehr schwierig und hart. Aber ich habe viel gelernt. Vor allem das, was ich hier nicht machen will.
Ein Chef ist nichts ohne sein Team. Ich war sehr schlecht in der Schule. Trotzdem bin ich weit gekommen. Jeder hat eine andere Stärke. Ein guter Chef muss das erkennen. Und seine Leute dort einsetzen, wo sie am besten «performen». Es ist wie ein Energie-Pool, den ein Chef gut verwalten muss. Ich glaube, das ist das Allerwichtigste. Früher hat man das anders gemacht.
Wie stufen Sie sich denn selber ein?
Ich bin chaotisch. Und bei mir funktioniert das. Bei anderen geht das so nicht. Also soll es jeder so machen, wie es für ihn stimmt.
Wir sind wie eine grosse Familie. Wir arbeiten ja mehr zusammen als dass jeder bei sich zuhause ist. Und man freundet sich mit der Zeit an. Das ist manchmal schwierig.
Und was war Ihr allergrösstes Highlight in Ihrer bisherigen Karriere?
Als ich Köchin des Jahres wurde und als der erste Michelin-Stern kam, war ich sehr stolz. Ich hatte nicht darauf hingearbeitet. Deshalb war es umso schöner. Eine absolute Überraschung.
Wer hätte gedacht, dass Marie Robert eines Tages das alles schaffen würde? Ich habe einen Stern gewonnen. Und ich habe ihn auch wieder verloren. Und das ganz zurecht. Ich habe nicht gut gekocht in dieser Zeit. Aber ich bin sehr ehrgeizig. Also wollte ich ihn wiederhaben. Und so ist es auch gekommen.
Interview: Philipp Bitzer
Bilder: Salvatore Vinci