Genussvolle Landpartie
In Landlust Burg Flamersheim in Euskirchen erzählt Oliver Röder, Mitglied der Jeunes Restaurateurs (JRE), über seinen Werdegang, Gerichte aus regionalen Zutaten mit weltoffenen Aromen und streift brandaktuelle Gastro-Themen.
Gerade noch kommt ein Fahrer zum Abholen von Leergut einer Oldtimer-Veranstaltung herein. Es folgt ein junges Paar, um bei einem Termin seine Hochzeit zu planen. Oliver Röder geht sofort auf die Besucher zu und findet unter seinen 45 Mitarbeitenden die richtigen Ansprechpartner. Schließlich ist er hier so etwas wie der Burgvogt. Aus dem ehemaligen Gutshof, der einstigen Remise und dem Rinderlaufstall der Burg Flamersheim entstand eine wunderbare Genuss-Welt in der Voreifel. Landlust Burg Flamersheim mit fünf geschmackvoll individuell eingerichteten Zimmern im Nachtquartier, darunter die Hochzeitssuite, dem Gasthaus „Eiflers Zeiten“ und dem Sternerestaurant „Bembergs Häuschen“ ist beliebte Destination für Genusssuchende, Kochschule und Location für Veranstaltungen, darunter eben auch Hochzeiten. Im März 2011 wurde das prächtige Adelsanwesen nebst malerischem Weiher inmitten des pittoresken Euskirchener Stadtteils Flamersheim nach anderthalb Jahren Umbau von Oliver Röder und seinem Geschäftspartner Johannes von Bemberg eröffnet.
Das richtige Maß an Vorbereitung und Blauäugigkeit
Kennengelernt hatten sie sich im Hotel Bayerischer Hof in München. Dort absolvierte Röder nach seiner Kochausbildung am Tegernsee bei Michael Fell, Gründungsmitglied der deutschen Jeunes Restaurateurs, und Stationen bei Michael Moore in London und der „Ente“ in Wiesbaden bei Gerd M. Eis, auch JRE, eine zweite Lehre als Hotelkaufmann. Geboren in Thüringen und aufgewachsen in Norddeutschland, war er bereits als 16-Jähriger nach Bayern aufgebrochen. Nach einem einjährigen Zwischenspiel bei Christian Jürgens auf Burg Wernberg kehrte Röder wieder nach München zurück. Im Food-Einkauf im Bayerischen Hof sammelte er, wie er betont, beste kaufmännische Erfahrung für das spätere Unternehmertum. „Ein bisschen Blauäugigkeit und Idealismus braucht es für die Selbständigkeit“, denn auf die Kraft, die dabei auf der Strecke bliebe, hätte ihn auch die zusätzliche Qualifikation zum Küchenmeister in Heidelberg trotz wertvoller Kenntnisse nicht gestählt.
Feuer und Flamersheim für die Jeunes Restaurateurs Deutschland
„Sofort habe ich mich bei den JRE beworben“, erzählt Röder, sei bei den seinerzeit aktiven Mitgliedern im Umkreis – Hans Stefan Steinheuer, Nils Henkel, Rudi Tewes – vorstellig geworden. Von den Stationen bei Michael Fell und Gerd Eis kannte er bereits die Mischung „aus viel Arbeiten und gut Feiern“, wie er augenzwinkernd und mit einem seiner gelegentlich eingestreuten „Jau“ bemerkt. Röder schätzt das Miteinander, den Austausch und auch die Möglichkeit, mal gutes Personal an Kollegen zu vermitteln und umgekehrt zu bekommen. Seit 2021 sitzt Oliver Röder im Vorstand der deutschen JRE-Sektion. Original Beans Schokolade, Jordan Olivenöl, Schwarzwald Miso oder Essige von Essigbrauer Theo F. Berl – bei den JRE Origins, ausgewählten Spitzenproduzenten im Netzwerks der jungen Spitzenköche, bediene er sich gerne. Seine Auszubildenen gehen neben dem praktischen Teil in Landlust Burg Flamersheim in die eigene JRE-Klasse an der Landesberufsschule in Bad Überkingen. Auf der Schwäbischen Alb, denn „wenn es nicht ganz so einfach geht, sieht man, wer es richtig will.“
Personalsuche: Fördern und Fordern
Überhaupt liegen Mitarbeiter, das merkt man schnell, Oliver Röder am Herzen. Sich zu bewegen sei wichtig, so der 39-Jährige: „Man kann nicht auf dem hohen Ross sitzen und sagen: Ich warte, dass die Leute zu mir kommen.“ So finden sich auf Burg Flamersheim angepasste Arbeitszeitmodelle, um selbst einem 57-jährigen Koch im harten Job gerecht zu werden. Mit seinen Azubis gehe er regelmäßig in Sternerestaurant zum Essen. Ist das Interesse für Spitzenküche geweckt, schicke er sie zu Kollegen wie aktuell zum JRE-Kollegen Tobias Bätz ( „Posthotel Alexander Herrmann“), nach Zürich zu Heiko Nieder („The Restaurant“ im Hotel Dolder) oder zu Clemens Rambichler ins „Sonnora“. Danach gelte es, den Kontakt weiter zu pflegen. „Man muss die Leute auch nach Flamersheim kriegen“, sagt Röder. Dabei hilft, dass sich neben dem gemeinsamen Essengehen faire Bezahlung, geregelte Arbeitszeiten und gemeinsame Unternehmungen wie Gokart fahren oder Grillen zu Hause beim Chef herumsprechen.
Zwei Restaurants, eine Küche und viele regionale Zutaten
Für eine fundierte Ausbildung ist von Vorteil, dass Azubis in Landlust Burg Flamersheim viele Aspekte eines Betriebes kennenlernen können: Von Bankett über Catering bis zum eigenen Food Truck und natürlich in den beiden Restaurants, die aus einer Küche beschickt werden. Im „Eiflers Zeiten“ wird gehobene Gasthausküche im gemütlich-schicken Landhausambiente unterm Gebälk und mit leeren Weinflaschen bestückten Kronleuchtern auf rustikalen Holztischen serviert. „Leber vom Milchkalb, wo bekommt man das noch?“ freut sich Röder über die Beliebtheit des Innereiengerichts. Natürlich gibt es auch ein bodenständiges Schnitzel, Omas Rinderroulade oder Hechtklößchen mit Möhrenspaghetti und Krustentiernage. Im seit 2012 mit einem der begehrten Michelin-Sterne ausgezeichneten „Bembergs Häuschen“ geht es für 25 Gäste mit Rind- und Kalbfleisch aus der Eifel, Felchen aus dem nahen Laacher See und Bauernmilch vielfach regional zu. Doch wenn Patron Oliver Röder und sein Küchenchef Filip Czmok in Honig marinierte Tomaten von Bio-Bauer Theo Frings im Safransud auf Jasminblüten und Jasminblütengranité treffen, dann Flamersheimer Lamm, das teils auf der Weide hinterm Weiher graste und durch Trockenreifen im Restaurant veredelt wurde, mit Aubergine, Sesam und Spitzpaprika mediterran-orientalisch interpretiert wird, merkt man schnell: Hier wird regional gehandelt und weltoffen gedacht. Während in „Eiflers Zeiten“ auch ein Pils aus der Eifel schmeckt, reicht Ehefrau Katharina Röder, selbst Hotelbetriebswirtin, als Sommelière nebenan eine bestens mit deutschen Weinen bestückte Karte.
Wie aus einer Schnapsidee ein Signature Dish wurde
„Wir hatten mal Gäste aus England da, die extra einen Tisch reserviert hatten, weil sie unser Herrengedeck probieren wollten.“ Herrengedeck – also ein Bier und ein Korn? Nicht ganz, denn bei alkoholischen Getränken und Zigarrenrauchen kam die Idee zum Signature Dish in Bembergs Häuschen. Eine „Zigarre“ entsteht aus mit exakt reduzierter Jus eingepinseltem Filo-Teig durch Backen und Trocknen. Anschließend wird der die Fake-Hülle mit Ochsenschwanzragout gefüllt, eine selbstentworfene Banderole darübergestülpt und die täuschend echte Zigarrennachbildung in einen extra dafür genutzten Aschenbecher gelegt. Per Bunsenbrenner karamellisieren dehydrierter, gemixter Apfel und Sellerie zu Asche, während ein Cognacschwenker mit Ochsenschwanzessenz das Herrengedeck vervollständigt.
Positiv voraus: Lösungen anstelle von Problemen
Ein Gericht mir Augenzwinkern, man dürfe sich schließlich nicht zu ernst nehmen, das gelte überhaupt für seine Küchenphilosophie: „Es muss lecker sein, die Gäste zufrieden und sollen einen schönen Abend genießen!“ Mit Zuversicht begegnet Familienvater Röder nicht nur den Herausforderungen zwischen Job und den zwei Kindern, sondern auch denen, die vor Gastronomie und Hotelerie nicht Halt machen. Neben bereits angesprochenen Personalfragen, steigenden Einkaufspreisen durch Inflation und dem Gas- und Strompreisanstieg ist man hier gut gerüstet. Allein weil die Fenster und Dächer wegen der Lage inmitten des Orts bereits bestens schallisoliert sind. Gerade soll noch eine Photovoltaikanlage auf den zahlreichen Dächern installiert werden. „Arbeiten gehen“, lacht Röder, sei sein Hobby. Für Sport, Werkeln und seine Oldtimer bliebe nicht mehr viel Zeit.